Myhten und Fiktionen


Historisches:
Die drei Götterschwestern

Als James Cook am 20. Januar im Jahre 1778 die Insel Kaua´i betrat, ahnte weder er noch, der damals herrschende König, dass dieses Ereignis der Anfang vom Ende der hawaiianischen Mythologie und Kultur sein würde.

Jahrhundertelang hatte der Einfluss der Polynesier den Glauben der Hawaiianer geprägt, doch bereits 50 Jahre nach Cooks Landung existierten nur noch Bruchstücke der alten Legenden, Mythen und sogar Lebensweisen. Dies lag zum einen daran, dass die Ur-Einwohner nie eine eigene Schrift entwickelten und somit ihr Wissen nur durch Erzählungen und durch den traditionellen Hula an ihre Nachfahren weitergaben. Der andere Grund war, dass ein paar Jahre später Missionare auf Hawaii einfielen und die heimische Mythologie durch die weltliche Religion verdrängt wurde.
Und, obgleich das Wort Tabu aus dem Hawaiianischen seinen Einzug ins Deutsche fand, wissen sehr wenige hierzulande etwas über die Götterwelt der Hawaiianer. Die berühmteste Göttin ist die Vulkangöttin Pele. Ihr wird die Schaffung der Inseln nachgesagt. Von ihr und zwei ihrer Schwestern, möchte ich euch nunmehr (frei überliefert) erzählen:

Pele ist eine schöne junge Frau, die auch in der Lage ist, ihr Äußeres zu ändern, so, dass sie manchmal auch als Greisin unter den Menschen wandelt. Sie liebt die Menschen, aber noch mehr liebt sie die Männer. Heutzutage würde man Pele als eine Bitch bezeichnen, denn nicht mal die Hose des Mannes ihrer älteren Schwester war für sie tabu. Zu ihrem Unglück wurden die beiden in flagranti erwischt und Pele war gezwungen ihre Heimat zu verlassen. In einem Kanu fuhr sie tausende Kilometer weit über das Meer bis sie auf Hawaii strandete.

Wohl eher aus Langeweile, denn das Eiland war noch nicht bevölkert, ließ sie mithilfe ihres magischen Stabes pāoa Vulkane ausbrechen und formte so die hawaiianische Inselkette.

Was sie jedoch nicht ahnte, war, dass ihre Schwester die Wassergöttin Nā-maka-o-Kahaʻi sie verfolgte, um sich an  ihr für den Ehebruch zu rächen. Auf Maui soll es dann zu einem Kampf zwischen den Schwestern gekommen sein.

Während Pele mit Flammen und Lava um sich feuerte, ließ Nā-maka-o-Kahaʻi Wassermassen über das Land einhergehen. Scheinbar unterlag Pele ihrer Schwester am Fuße des Haleakalā und so begab sich die Wassergöttin auf den Rückweg in ihre Heimat. Ein Blick zurück auf die Inseln ließ sie jedoch gewahr werden, dass aus einem Vulkan Rauch aufstieg und so wusste sie, dass Pele überlebt hatte, dennoch zog sie nicht zurück in den Kampf, sondern kehrte Hawaii den Rücken zu.

Viele viele Jahre später muss es sich zugetragen haben, dass Pele auf eine weitere Schwester traf.

Inzwischen waren die Inseln bevölkert und Poli´ahu, die Schneegöttin mischte sich häufig unter die Menschen. Gerne vergnügte sie sich auch beim Holua Rodeln mit ihren Freunden am Osthang des Manua Kea Vulkans.

Eines Tages kam ein Fremder dazu und bat darum mitmachen zu dürfen. Dafür wurde ihm sogar ein Schlitten geliehen, doch er verlor den ersten Lauf und so tauschte Polia´hu sogar den Schlitten mit ihm. Doch auch das half dem Neuankömmling nicht weiter, denn er verlor auch den zweiten Durchgang. Bei der dritten Abfahrt übernahm die Schneegöttin alsbald wieder die Führung. Plötzlich tat sich die Erde vor ihr auf und frische Lava quoll hervor. Da wusste Polia´hu, dass der Fremde in Wirklichkeit ihre Schwester Pele ist.

Die Schneegöttin floh hinauf zu dem Gipfel des Berges und warf von oben herab einen Schneemantel über ihre Schwester und deren Lavaströme. Durch die Eiseskälte wandelte sich die heiße zähe Masse zu hartem Stein und so versiegten die Quellen.

Pele zog sich daraufhin in den Krater Halemaʻumaʻu des Kīlauea Vulkans zurück. Polia´hu indes nahm ihren Wohnsitz im erloschenen Vulkan Mauna Kea. Beide Vulkane liegen auf der größten Insel namens Hawai´i. Sie wird aufgrund ihres Umfanges auch Big Island genannt.

Bis heute scheint der Kampf dieser beiden Götterschwestern jedoch nicht endgültig entschieden zu sein, denn immer wieder bedecken Schneemassen den Mauna Kea, während der Kīlauea heute als einer der aktivsten Vulkane weltweit gilt

Auf Grundlage dieser Mythen habe ich meine eigene Geschichte geschaffen, die zur Basis einer ganzen Buchreihe werden wird. Sei jedoch gewarnt - liest du weiter, erfährst du mehr, als dir vielleicht zu diesem Zeitpunkt lieb ist - ***Spoilergefahr***



Fiktion:
Die Legende der Okelani:
»Vor Jahrhunderten lebten hier auf Hawaii die Götterschwestern. Namaka-o-Kaha 'i zum Beispiel ist die Herrin über das Wasser. Doch sie ist auch eine sehr sensible Frau, die sich nach Liebe sehnt und so mischte sie sich oft unter die Ur-Hawaiianer und vermählte sich sogar mit einem von ihnen. Die Noelanis sagen, dass ihre Kinder die Ahnen unserer Vorväter sind.
Eines Tages erwischte sie ihren Gatten beim Beischlaf mit ihrer Schwester Pele. Voller Wut verfolgte sie Pele bis nach Big Island, wo die Vulkangöttin den Haleakalā ausbrechen ließ, um Namaka-o-Kaha 'i aufzuhalten.
Diese jedoch ließ eine große Welle über den Lavastrom einbrechen, wodurch das Magma erkaltete. In der Annahme, dass Pele tot sei, brach die Wassergöttin wieder nach Hause auf.
Als sie jedoch noch mal zurücksah, konnte sie Rauch auf Maui erkennen und wusste, dass Pele noch lebte. Für einen Moment hielt sie inne und überlegte sich, ob sie ihre Schwester noch mal angreifen sollte. Doch in ihrem Innern wusste sie, dass auch das ihr keine Genugtuung geben würde. Und so entschloss sie sich Hawaii zu verlassen und in einem fernen Land ein neues Leben zu beginnen.«
Ben hielt für einen Moment inne. Er schien zu überlegen, wie er weitererzählen sollte. »Pele ist, wie du vielleicht schon herausgehört hast, die Herrscherin über das Feuer. Sie ist ein sehr jähzorniges Wesen und jedes Mal, wenn sie sich ärgert, lässt sie Feuer und Lava über das Land einhergehen. Was allerdings ja auch sein Gutes hat, denn dadurch wachsen die Inseln stetig an ... Mist, jetzt habe ich den Faden verloren, warte einen Moment.«
»Soll ich dir was zu trinken holen?«, fragte ich.
»Nein, schon gut. Ein Computerprogramm zu schreiben, ist für mich eine Leichtigkeit, aber als Geschichtenerzähler eigne ich mich nicht so gut. Ähm, also als Nächstes musst du wissen, dass die dritte Schwester, die in der Legende vorkommt, die Schneegöttin Poli´ahu ist. Sie hat die Macht das Land mit Schnee zu bedecken oder auch einen Eissturm zu erzeugen.
Du kannst dir sicher vorstellen, dass die beiden sich nicht gut verstanden. Feuer und Eis sind von Natur aus schon Kontrahenten, und dass beide Frauen in denselben Mann verliebt waren, verschlimmerte ihren Clinch nur noch.«
»Das kommt mir irgendwie bekannt vor«, neckte ich ihn. »Wie war das noch mit dir, Tom und Kalama?«
Ben sah mich entsetzt an. »Auch, wenn Kalama übersetzt leuchtende Fackel heißt und dem Stamm der Peles angehört, denke ich nicht, dass sie das passende Thema für diesen Tag ist.«
»Entschuldige ... hast ja recht«, nuschelte ich und gähnte ungewollt.
»Möchtest du jetzt schlafen? Soll ich vielleicht nachher weitererzählen?«
Mit einem Kopfschütteln verneinte ich.
»Okay. Also die beiden stritten sich ständig und in der offiziellen Version heißt es, dass sie so lange miteinander kämpften, bis sie sich vor Erschöpfung nach Big Island zurückzogen und dort seitdem im tiefen Schlaf liegen. Doch in Wirklichkeit ist Okelani der wahre Grund, warum die Schwestern schlafen.
Der Legende zufolge soll sich die Wassergöttin Namaka-o-Kaha 'i auf ihrer Reise in einen sehr mächtigen Zauberer verliebt und von ihm ein Kind empfangen haben.
Und während sie in den Wehen lag, schmiedete der Magier einen Ring. In ihm schloss er einen kleinen Teil seiner Macht und seines Wissen ein, dann machte er ihn seiner neugeborenen Tochter zum Geschenk.«
Obwohl ich ahnte, dass er damit den Mana Loa meinte, behielt ich es für mich und hörte ihm weiter zu.
»Kurz darauf wandte er sich jedoch einer anderen Frau zu und zutiefst verletzt kehrte die Wassergöttin nach Hawaii zurück.
Sie wusste, dass ihre Tochter über ein sehr starkes Mana verfügte. In ihr ruhte schließlich die Kraft einer Göttin und die des Zauberers und so führte sie Okelani in die Magie ein und brachte ihr bei, ihre Kräfte gezielt einzusetzen.
Es dauerte auch nicht lange, da bemerkte sie, dass der Ring das Mana bündelte und verstärkte. Aus Furcht, dass ihre Schwestern hinter dieser Waffe her sein könnten, verwandelte sie ihr Aussehen und versteckte sich hier auf Noelani. Ihrer Tochter trichterte sie ein, ihre Fähigkeiten nie in der Öffentlichkeit anzuwenden.
Als das Mädchen jedoch zu einer jungen Frau herangereift war, begegnete sie einem jungen Krieger namens Koa und verliebte sich unsterblich in ihn. Okelani liebte und vertraute ihm so sehr, dass sie ihm von ihrer Magie erzählte und ihm die Kraft des Mana Loa offenbarte.
Dabei wurden sie jedoch von Poli´ahu und Pele beobachtet, und als die Götterschwestern auch noch das Geheimnis des Ringes entdeckten, wurden die schlimmsten Befürchtungen der Wassergöttin wahr: Ihre Schwestern wurden von Neid und Missgunst ergriffen. Jede von ihnen wollte den Ring ihr Eigen nennen und so verwickelten sie Okelani in einem Kampf, in dessen Verlauf sich die Mokulua Islands aus dem Meer erhoben. Dies wiederum sah Namaka-o-Kaha 'i und so eilte sie ihrer Tochter sofort zur Hilfe.
Zunächst überflutete sie die Landpassage zwischen den neuen Vulkanen und dem alten Festland, doch das trieb ihre Schwestern nicht zurück, sondern nur noch mehr an. Während Pele eine Lavafontäne emporsteigen ließ, verwandelte Poli´ahu den Landstrich in eine Schneewüste.
Namaka-o-Kaha 'i griff zunächst Poli´ahu an und ließ große Wellen über sie hereinbrechen.
Die Schneegöttin verwandelte das Wasser jedoch in Schnee und entkam dadurch dem Tod durch Ertrinken.
Okelani kämpfte indes gegen Pele und ließ Blitz- und Donnersalven über ihre Tante niedergehen.
Diese warf zunächst mit Feuerfontänen um sich, welche Okelani jedoch durch den Einsatz von Windböen ins Meer fliegen ließ.
Als Pele merkte, dass sie so nicht gewinnen konnte, richtete sie ihre Kraft gegen Koa und schloss ihn zwischen zwei Magmaströmen ein. Ihr Plan funktionierte wohl, denn Okelani war für einen Moment abgelenkt und so konnte sie ungehindert eine Flammensalve auf das Mädchen niedergehen lassen.
Poli´ahu, die dies beobachtete und befürchtete, dass Pele sich jetzt den Ring aneignen könnte, ließ von Namaka-o-Kaha 'i ab und wandte sich gegen Pele.
Die Wassergöttin indes nutzte die Gelegenheit der Ruhe und eilte zu ihrer schwer verwundeten Tochter. Dort angekommen musste sie jedoch feststellen, dass eine Rettung der menschlichen Hülle des Mädchens nicht mehr möglich war.
Sie sammelte ihre restlichen Kraftreserven und sprach einen Zauber aus, der dafür sorgte, dass die Seele des Kindes nicht in den Lewa Lani gelangte, sondern im Po verblieb. So wollte sie dafür sorgen, dass ihre Tochter eines Tages in einem anderen Körper zurückkehren konnte. Doch die Macht der Wassergöttin reichte wohl nicht mehr aus, denn ein Teil der Magie ihrer Tochter ging auf deren jungen Geliebten Koa über, der inzwischen ebenfalls neben dem sterbenden Mädchen kniete.
Die Wassergöttin kroch mit letzter Lebenskraft ins Meer vor Noelani und hält seitdem einen tiefen Erholungsschlaf.
Die anderen beiden Göttinnen bekämpften sich so lange weiter, bis auch ihnen nur noch der Rückzug in einen tiefen Schlaf auf Big Island blieb.
Zurück blieben nur noch der leblose Körper der jungen Frau und ein verwirrter Krieger, der um seine Geliebte weinte.
Er nahm den Leichnam Okelanis und brachte ihn in unsere heilige Grotte. Nachdem er den Ring an sich genommen hatte, schwor er ihr seine ewige Liebe und verbrannte ihren seelenlosen Körper.
Aus dem Jüngling wurde ein Mann, und obwohl er seine große Liebe nie vergessen konnte, heiratete er und zeugte eine Tochter.
Bald darauf merkte er, dass er die an ihn übergegangene Magie an sein Kind vererbt hatte. Er beschloss zum Schutze seines Kindes, einen Zauber über den Ring zu legen, der dafür sorgt, dass dessen volle Kraft sich erst wieder entfaltet, wenn er und Okelani wieder im Diesseits vereint sind.
Die Jahre vergingen, doch seinem Vorhaben blieb er ebenso treu, wie seine Seele sich noch immer nach dem Herzen des Mädchens verzerrte.
Eines Tages nahm er seine Tochter mit in die Grotte, in der noch immer der Schatten der Asche von Okelani zu sehen war und gemeinsam belegten sie den Ring mit dem Bann.
Kurz darauf schickte er sein Kind nach Hause und schnitt sich die Pulsadern auf. Er ließ jeden Tropfen Blut über den Ring träufeln und sprach die Worte: Wenn das Herz und die Seele sind vereint, kehrt die Eine, die verloren scheint, heim. Bei seinem letzten Atemzug sollen sich diese Worte in das Gold des Ringes eingeprägt haben.
Seine Tochter fand ihn am nächsten Tag. Da sie Kenntnis von seiner Vergangenheit hatte, wusste sie, dass sein Selbstmord nur einen Zweck dienen sollte: Er wollte erreichen, dass seiner Seele der Weg in den höchsten Himmel verwehrt wird. Stattdessen landete sie in der Zwischenwelt, wo er vielleicht immer noch darauf wartet, in unsere Welt zurückkehren zu dürfen, um sich mit seiner Geliebten zu verbinden.«